Die alte Lateinschule



    Zum ersten Male wird im Jahre 1297 eine Schule Haselünnes urkundlich erwähnt: die Lateinschule. In einer Schenkungsurkunde wird nämlich neben dem Pfarrer und dem Haselünner Kaplan  ein rector scolarum genannt, der ebenfalls Priester gewesen sein muss.

    Die Lateinschulen des Mittelalters dienten dem Zweck der Kirche, Knaben auf das Priesteramt vorzubereiten. Wesentliche Unterrichtsgegenstände waren neben der Glaubenslehre und der moralischen Unterweisung die lateinische und später auch griechische Sprache. Rhetorik, Arithmetik und Geometrie standen ebenfalls auf dem Lehrplan. Es fehlten die Naturwissenschaften und Unterweisungen in der Muttersprache. Vorgesehen war eine fünfjährige Ausbildung in der Lateinschule, von der 6. bis zur 10. Klasse.


    Quelle: Haselünner Heimatfreund, Januar 2013, Seite 35

    Der Lehrplan der (spät-)mittelalterlichen Lateinschule wurde dominiert von der Sprachausbildung. Das Ziel war, perfekte Lateiner heranzubilden. Lateinisch wurde unterrichtet, gesungen, gepredigt, gebetet, auch die private Unterhaltung sollte lateinisch sein. Der Gebrauch der Muttersprache war verpönt. Wer nicht fließend Latein konnte, galt nicht als gebildeter Mensch.

    Zu den Schülern der Lateinschulen zählten vor allem die Söhne des ländlichen Adels und auch der Kaufmannschaft, ebenso des wohlhabenden Handwerks. Weil nicht alle Lateinschüler später Theologie studierten, kam die in der Lateinschule erlangte Bildung auch anderen Schichten zugute.

    Die Haselünner Lateinschule ist u.a. durch regelmäßige Visitationsberichte in den Osnabrücker Kirchenakten belegt. Belegt ist ferner, das jeweils ein Geistlicher der Schule als Lehrer zugeordnet war. Anzunehmen ist, das etwa 20 Jungen in der Lateinschule unterrichtet wurden.

    Aus dem Jahre 1824 ist ein Dokument erhalten, in dem Lehrgegenstände, Lehrstunden und Ferien vom damaligen Rektor J. Hülster aufgestellt worden sind: "Religions- und Sittenlehren, Mathematik, deutsche, lateinische, griechische und französische Sprache, Geschichte, Geographie, Kalligraphie". Lehrstunden finden im Wintersemester an den Vormittagen von 8.00 bis 10.00 Uhr und von 10.45 bis 12.00 Uhr, an Nachmittagen von 14.00 bis 16.00 Uhr und von 16.45 bis 18.00 Uhr statt, im Sommersemester von 5.00 Uhr bis 6.15 Uhr, von 8.00 bis 10.00 Uhr und von 10.45 bis 12.00 Uhr, am Nachmittag von  4.00 bis 16.00 Uhr und von 16.45 bis 18.00 Uhr. Im Schuljahr 1824/25 z.B. erhielten die Jungen 62 Tage Ferien, die hohen kirchlichen Feiertage mitgerechnet. Die Mahlzeiten wurden zu Hause eingenommen, deshalb die langen Pausen.

    An der Lateinschule in Haselünne konnten die Schüler nicht das Abitur ablegen. Dazu mussten sie dann an ein Gymnasium wechseln. Die Haselünner Lateinschule war also den "mittleren" Schulen zuzuordnen. Verbindungen bestanden zu den Gymnasien in Rheine und Osnabrück, besonders enge auch wegen der räumlichen Nähe zum Gymnasium in Meppen. Eine Aufstellung der mittleren Schulen vermerkt, das die Haselünner Lateinschule vom 1. März 1910 an schultechnisch dem Direktor des Meppener Gymnasiums unterstellt ist. Im Jahre 1912 beschränkte sich die Schulaufsicht aus Meppen darauf, dass der Gymnasialdirektor den abgehenden Lateinschülern, vor allem denjenigen, die das Gymnasium besuchen wollten, eine Prüfung abnahm.

    In den nächsten Jahrzehnten wandelte sich das Bild der Lateinschule. Das Fach Griechisch verschwand vom Lehrplan, es wurde durch Englisch ersetzt.

    Nach 1933 unterlag die "mittlere Schule" in Haselünne, die immer noch als Lateinschule bezeichnet wurde, den Auflagen des nationalsozialistischen Regimes. Das Ausscheiden des letzen geistlichen Rektors, des Studienrats Sprengelmeyer, wurde erzwungen. In Schuljahr 1940/41 wurden erstmals Mädchen aufgenommen.

    Nach 1945 wurde die Lateinschule zur "Mittelschule", 1965 erhielt sie die Bezeichnung Realschule.

    So ist die Haselünner Lateinschule als Mittelschule gewiss die Vorgängerschule der heutigen Realschule. Die Existenz dieser Schule zeugt aber auch davon, dass mindestens seit 1297 gymnasiale Bildung in Haselünne vermittelt wurde, wenn auch die Jungen zum Erlangen des Abiturs zu einem Gymnasium wechseln mussten.